text.skipToContent text.skipToNavigation
Es konnten keine Ergebnisse gefunden werden.
Such-Empfehlungen

Kittel macht klug

Beyond Science

Auf einen kurzen Ausflug in die Ankleide des Lebens. Mehrere Studien belegen Zusammenhänge zwischen bestimmter Kleidung und tief greifenden psychologischen Effekten – sowohl auf den Träger als auch auf das Gegenüber.

Mangelt es ab und zu an Aufmerksamkeit und Konzentration? Dann lohnt ein Blick in den Kleiderschrank oder in den Spiegel. Denn so abgegriffen die Redewendung „Kleider machen Leute“ auch klingen mag, so wahr ist diese Weisheit – zahlreiche Studien konnten in den vergangenen Jahrzehnten beweisen, dass sich die Kleidung tatsächlich darauf auswirkt, wie wir uns konzentrieren können und wie andere uns wahrnehmen.
Das geht schon in der Schule los. Gut angezogene Schüler wirken auf ihre Lehrer intelligenter – das hat eine Studie von Dorothy U. Behling und Elizabeth A. Williams bereits 1991 bewiesen. Frauen, die sich beim Bewerbungsgespräch maskulin kleiden, werden als kompetenter angesehen und bevorzugt eingestellt. Das fand die Psychologin Sandra M. Forsythe 1990 heraus. Kunden kaufen lieber, wenn der Verkäufer gut gekleidet ist – zu diesem Schluss kamen Chris Y. Shao, Julie A. Baker und Judy Wagner in ihrer Studie 2004.
Übrigens findet man die Redewendung „Kleider machen Leute“ schon in Erzählungen, die aus dem 16. Jahrhundert stammen – also mehr als 400 Jahre alt sind. Doch größte Bekanntheit brachte ihr die gleichnamige Novelle, die Gottfried Keller 1874 veröffentlichte. Die Geschichte handelt vom armen Schneiderlehrling Wenzel Strapinski, der aufgrund seiner vornehmen Kleidung für einen Grafen gehalten wird und diese Situation so lange ausnutzt, bis die Täuschung auffliegt.
Doch unsere Kleidung wirkt sich nicht nur auf andere aus, sondern auch auf uns selbst – und zwar auf ziemlich überraschende Weise. Die kanadische Schriftstellerin Lucy Maud Montgomery ließ schon 1908 ihre kleine Anne im Kinderbuchklassiker „Anne auf Green Gables“ sagen: „Es ist viel einfacher, gut zu sein, wenn man modische Kleidung trägt.“


Gut gekleidet – besser gearbeitet
Wie viel einfacher es ist, gut zu sein, wenn man formelle Kleidung trägt, sollte gut 100 Jahre später wissenschaftlich bewiesen werden. 2012 fanden der amerikanische Sozial-Psychologe Adam D. Galinsky und sein Kollege Hajo Adam heraus, wie viel Einfluss Kleidung auf die eigene Wahrnehmung hat. Kleidung kann Menschen sogar klüger machen. Die Psychologen prüften anhand von Experimenten ihre Theorien zur Wahrnehmungssteuerung mit Bekleidung. Sie ließen Probanden einen Stroop-Test durchführen – also Konzentration unter Ablenkungen beweisen. Ein Teil der Testpersonen trug dabei weiße Kittel – das typische Accessoire von Ärzten und Wissenschaftlern, die Kontrollgruppe ihre Freizeitkleidung.
Und tatsächlich schnitt die Gruppe, die den Kittel trug, besser ab. Der Effekt, sich mit einem weißen Kittel direkt klüger zu fühlen, schlägt sich also direkt in der Leistungsfähigkeit nieder.
Das Tragen bestimmter Kleidung setze entsprechende Assoziationen frei, resümieren die Wissenschaftler. Und weil wir mit dem Doktorkittel üblicherweise Sorgfalt und Achtsamkeit in Verbindung setzen, überträgt sich dieser Gedanke auch auf unser eigenes Verhalten: Wir werden selbst sorgfältiger und achtsamer. Diese Erkenntnisse führten zur Theorie der bekleideten Wahrnehmung, die bei Psychologen zu einer wichtigen Grundlage in der Forschung bezüglich kognitiver Prozesse geworden ist.

Bikinis machen dumm
Auch den gegenteiligen Effekt konnten Forscher schon nachweisen: Bikinis machen dumm – zumindest so lange, wie wir sie tragen. Zu diesem Schluss kamen Forscher der University of Michigan in den 1990er-Jahren. Bei der Studie schnitten Probanden, die einen Bikini trugen und dabei Matheaufgaben
lösen sollten, schlechter ab als die, die mehr anhatten. Diese Versuchsreihe mag amüsant wirken, doch die Botschaft ist deutlich: Kleider verändern nicht nur unsere Wirkung auf andere, sie beeinflussen auch die eigene Leistung.
Dies bestätigten auch der Psychologe Abraham Rutchick und seine Kollegen von der California State University, die 2015 untersuchten, welchen Einfluss Kleidung auf unser Denken hat. Auch hier war das Ergebnis klar: Die formell gekleideten Probanden waren in der Lage, abstrakter und ganzheitlicher zu denken. Das Fazit des Psychologen: Gerade weil Kleidung einen so großen Symbolcharakter hat, sollte sie zum Anlass passen.
Im Pyjama arbeitet es sich weniger effektiv als im Büro-Dress – so lassen sich die Studien zusammenfassen. Das dürfte besonders die interessieren, die derzeit noch zu Hause arbeiten. Jeder zweite Berufstätige in Deutschland (49 Prozent) arbeitet ganz oder zumindest teilweise im Homeoffice – das ermittelte eine repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom Mitte März. In diesen besonderen Zeiten konnte jeder an sich beobachten, wie sich die gewählte Kleidung auf das Empfinden, auf die Motivation und auf die Konzentration auswirkt.