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Let’s play!

Beyond Science

Spielen ist evolutionär und kulturell tief in der Menschheitsgeschichte verwurzelt. Sollten Erwachsene häufiger spielen? Ein Einblick in die Forschungswelt der Ludologie.

Bevor ein Kind läuft oder spricht, spielt es. Es verarbeitet auf diese Weise Eindrücke und erprobt seine Fähigkeiten. Es entdeckt die Welt und beginnt, diese zu verstehen. Das kindliche Vorstellungsvermögen, aus einem unscheinbaren Objekt einen Schatz zu machen, zieht Erwachsene in seinen Bann. Insgeheim wissen wir: Jeder – ob klein oder groß – braucht Gelegenheiten zum Spiel, um zu entspannen und Spaß zu haben.

In der Tat ist Spielen eine Form der Lebensbewältigung, die Erwachsene genauso brauchen wie Kinder. Dabei gehört vieles, ob Tanzen, Musizieren oder Malen, zur erweiterten Form des Spiels. Soweit es, glaubt man Roger Caillois, eine freiwillige und zweckfreie Tätigkeit bleibt. 1958 stellte der Soziologe als Antwort auf Johan Huizingas „Homo ludens“, der spielende Mensch, Kriterien auf, um Spiel zu definieren. Spiel wäre aber nicht gleich Spiel, wenn es sich so einfach in eine Kategorie pressen ließe.

Über das Wesen des Spiels philosophierten schon die alten Griechen. Wer nach einer Definition sucht, landet so auch bei Plotin. Der Philosoph der Antike äußerte sich um 240 nach Christus wie folgt: „Spielend fürs erste, ehe wir uns an den Ernst machen.“ Damit stellte er die These auf, dass der Mensch auf spielerische Weise besonders gut lernt. Seitdem haben viele weitere Philosophen, Schriftsteller wie etwa Friedrich Schiller und Forschende ihren eigenen Weg gefunden, das Phänomen des Spielens zu beschreiben. Einig geworden sind sie sich nicht. Fakt bleibt, dass im Spiel viel Potenzial steckt.

Moderne Spieleforschung

Die Ludologie, so der Fachterminus der Spielewissenschaft, ist ein vergleichsweise junges Forschungsfeld. Zwar wurde bereits im 18. Jahrhundert vereinzelt spielwissenschaftliche Forschung betrieben, doch erst in den darauffolgenden Jahrhunderten nahm die Spieletheorie Formen an. Das Forschungsfeld etablierte sich in den 1990er-Jahren, und es gründeten sich entsprechende Institute.

So das Zentrum für Angewandte Spieleforschung an der Donau-Universität Krems, das Natalie Denk leitet. „Ich persönlich finde es sehr spannend, sich im Zuge der Spieldefinition auch dem Phänomen der spielerischen Haltung zu widmen“, sagt sie. Im Rahmen ihres Forschungsschwerpunktes beschäftigt sich Denk damit, wie sich die Eigenschaft des Spiels auf Bildungssettings übertragen lässt. „Spielen heißt eben auch immer, Fehler machen zu dürfen“, erklärt die Bildungswissenschaftlerin. „In der Schule werden Fehler rasch mit schlechten Noten sanktioniert. Im Spiel motivieren Fehler hingegen.“ In ihrem aktuellen Forschungsprojekt „StreamIT!“ arbeiten Denk und ihr Team an einem konkreten Unterrichtskonzept, das die Produktion von Gameplay-Videos in den Mittelpunkt rückt.

„Spielen ist für die kognitive Entwicklung sehr wichtig“, bekräftigt Manuel Ninaus vom Institut für Psychologie an der Universität Graz. Ein Kind kann im Spiel so tun, als wäre ein Stein ein Auto. Das symbolische, abstrakte Denken, das es sich dabei aneigne, werde es spätestens beim Rechnen oder Lesen wieder brauchen, so Ninaus. Außerdem würden die Kinder im Spiel lernen, mit Misserfolgen und Enttäuschungen umzugehen, so der Neurowissenschaftler.
Spielen, weil‘s Spaß macht

Was sich im Kindesalter ausprägt, bleibt ein Leben lang relevant: „Das Spiel ist eine intrinsisch motivierende Tätigkeit. Wir haben kein höheres Ziel im Sinn, sondern wir spielen, weil wir es gerne tun“, erklärt der Psychologe. Die sogenannte Selbstbestimmungstheorie beschreibt drei psychologische Grundbedürfnisse, die bei einer intrinsisch motivierenden Handlung erfüllt werden: Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit. Wenn wir eine Leistung erbringen und positives Feedback erhalten, eigene Entscheidungen treffen können und im Austausch mit anderen agieren, sind wir motiviert.

„Es gibt die sehr interessante Vermutung, dass Spiele ein ‚Growth Mindset‘ fördern“, so Ninaus. Carol Dweck prägte den Begriff in ihrem Buch „Mindset: The New Psychology of Success“. Wer ein „Wachstumsdenken“ verinnerlicht hat, ist überzeugt, immer etwas dazulernen zu können. „Spiele zeigen uns, dass es immer weitergeht“, so Manuel Ninaus. „Das Spiel gibt uns Feedback, und ich lerne dadurch, dass ich dranbleiben muss, um meine Ziele zu erreichen.“
Kreative Aufgabenbewältigung

Professor Dr. Jens Junge vom Institut für Ludologie in Berlin sieht im Spiel gar die Chance, den zukünftigen Herausforderungen der Menschheit mit kreativen Strategien zu begegnen. „Spiele eröffnen uns neue Optionen, vermitteln Optimismus und lassen uns unterschiedliche Wege und Handlungsweisen verhandeln“, so der Institutsdirektor. Das erkennen auch immer mehr Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Räume schaffen, in denen sie Fehler machen und neu denken dürfen. Der Design-Thinking-Ansatz ist eine Möglichkeit, sich von Erwartungen zu lösen und eine neue Perspektive einzunehmen. Er eignet sich gut, um neue Strategien und Geschäftsmodelle in Teams zu erarbeiten.

Dass diesen Kreativräumen eine lockere Haltung zugutekommt, leuchtet ein. Und so beginnen viele Brainstorming-Strategien mit simplen Spielen, um den Druck rauszunehmen. „Gerade bei drängenden Problemen unserer Gesellschaft ist ein derartiger spielerischer kreativer Zugang in meinen Augen notwendig“, so Natalie Denk. „Hier müssen allerdings auch Arbeitsstrukturen überdacht werden. Zeit ist das kostbarste Gut, das in der heutigen, von Leistung geprägten Gesellschaft leider sehr rar geworden ist.“