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Licht aus!

Beyond Science

Wir verschmutzen nicht nur das Meer und die Luft, sondern auch den Himmel – durch Licht. Lichtverschmutzung klingt harmlos, ist aber ein ernstes Problem mit Auswirkungen auf Mensch, Tier und Natur. Was kann man dagegen tun?

Wenn sich Samyukta Manikumar zu Fuß auf den Weg in die Natur macht, dann meist in der Dunkelheit. Denn sie ist weder auf der Suche nach wilden Tieren oder schönen Landschaften, sondern nach dem Nachthimmel. „Nur an wenigen Orten ist der Himmel so klar und das Sternenbild so imposant wie hier“, erzählt die 28-jährige Kenianerin, die in der Nähe der Stadt Nairobi hin und wieder den Großen Wagen oder die Milchstraße sieht. Ansonsten prägen Autoscheinwerfer oder Straßenlaternen das Himmelsbild.
Lichtverschmutzung nennt man das Phänomen, wenn künstliche Lichtquellen das Licht der Sterne und des Mondes überstrahlen. „Wer einen ungestörten Blick auf die Sterne haben möchte, muss die Zivilisation hinter sich lassen“, rät Manikumar, die als Tourguide Menschen mit auf ihre Nachtwanderungen nimmt. Zusammen liegen sie auf dem Boden, blicken durch das Fernglas, die Kamera oder einfach mit offenen Augen in den glitzernden Sternenhimmel. „Am Anfang kommen viele gar nicht mehr aus dem Staunen raus, wenn sie das erste Mal wirkliche Dunkelheit erleben.“

Dem Lichtsmog ausgesetzt
Leuchtreklamen, Flutlichtanlagen und Industriebeleuchtung sowie Autoscheinwerfer schaffen Lichtglocken in der Nacht, die den Himmel in einem Umkreis von mehreren Kilometern aufhellen. Selbst bei scheinbar klarem Nachthimmel gibt es Streulicht, das in der Astrofotografie bei längeren Belichtungszeiten deutlich zum Vorschein bringt. „Während in einer stockfinsteren Umgebung mit dem bloßen Auge über 6.000 Sterne zu sehen sein sollten, sind es in Städten oft nur Dutzende“, so Manikumar. Da die meisten Menschen in Siedlungen oder in Städten leben, sind bis zu 80 Prozent der Weltbevölkerung und 99 Prozent der Menschen in Europa vom Lichtsmog direkt betroffen.
Zahlreiche Studien belegen die negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Die nächtliche Beleuchtung hat zum Beispiel Einfluss auf unseren Hormonhaushalt. Die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin wird verzögert, was das abendliche Einschlafen und das Aufwachen am Morgen erschwert. Diese Schlafprobleme können Mitauslöser für Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit oder Depressionen sein. Einem Bericht der Europäischen Kommission zufolge könnte es sogar einen Zusammenhang mit einem erhöhten Krebsrisiko geben.

Die Wissenschaft prangert die Entwicklung schon lange an, doch es tut sich wenig. Wir brauchen Unterstützung aus der Politik ...“

Samyukta Manikumar

Orientierungslos in den Tod
Viel stärker von der Lichtverschmutzung sind aber Tiere und Pflanzen betroffen. Laubbäume etwa können wegen des nächtlichen Kunstlichts im Herbst ihre Blätter später verlieren und so anfälliger für Frostschäden werden. Die Nachkommen der Meeresschildkröte finden an stark beleuchteten Stränden nicht den Weg ins Meer. Auch Zugvögel können ihre Orientierung verlieren und nachts mit beleuchteten Gebäuden kollidieren.
Besonders leiden nachtaktive Insekten unter der Dauerbeleuchtung: Üblicherweise orientieren sie sich am Licht des Nachthimmels. Von den vielen Kunstlichtquellen angezogen, umkreisen die Tiere die Lampen bis zur Erschöpfung und werden so leichter zur Beute von Fressfeinden. Auch der direkte Kontakt mit den heißen Leuchtmitteln endet meist tödlich. Studien zufolge sterben an einer einzigen Straßenlampe pro Nacht bis zu 150 Insekten. Bei etwa 10 Millionen Laternen allein in Deutschland ergibt das 1,5 Milliarden tote Insekten.

Mehr Forschung nötig
Welche und wie stark bestimmte Tier- und Pflanzenarten betroffen sind, kommt erst allmählich zum Vorschein – die Forschung über Lichtverschmutzung steckt noch in den Kinderschuhen, stellt Samyukta Manikumar fest. Sie hat deshalb eine Datenbank mit verfügbaren Studien über die negativen Effekte für die betroffenen Tierarten in ihrem Heimatland angelegt. Dadurch wolle sie das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen der Lichtverschmutzung stärken. Zudem ist Manikumar in der International Dark-Sky Association (IDA) aktiv, die sich um Aufklärung, Forschung und Vernetzung innerhalb der Community bemüht.
Für die Engagierten ist das Ziel klar: Sie wollen Orte schützen, die bisher von Lichtverschmutzung verschont geblieben sind, und das Ausmaß der Belastung durch Aufklärung und die Zusammenarbeit mit Gemeinden und Städten begrenzen. Doch was kann man gegen Lichtverschmutzung überhaupt tun? Einfach das Licht ausmachen, rät Manikumar und ergänzt: „Wenn wir von Privathaushalten sprechen, sind es tatsächlich oft kleine Entscheidungen, die viel bewirken: die Haus- oder Grundstückbeleuchtung über Nacht ausmachen oder mit einer Zeitschaltuhr versehen. Lampen mit niedriger Kelvinzahl, also mit gelblich-warmem Licht, im Garten verwenden, die nur nach unten leuchten und nicht in andere Richtungen strahlen.“
Den größten Anteil an der Lichtverschmutzung macht aber die Industrie aus. Hier braucht es laut Manikumar andere Ansätze: „Das Problem muss den Menschen erst bewusst werden. Die Wissenschaft prangert die Entwicklung schon lange an, doch es tut sich wenig. Wir brauchen Unterstützung aus der Politik, um wirklich wirkungsvoll zu werden – und das nicht nur lokal, sondern national oder bestenfalls weltweit. Denn das Problem der Lichtverschmutzung betrifft uns alle.“

ÜBER DIE IDA

Die International Dark-Sky Association (IDA) ist ein Zusammenschluss aus Forschenden, Astrofotografen und Enthusiasten, die es sich zum Ziel gemacht haben, den Nachthimmel zu schützen und über das Problem der Lichtverschmutzung aufzuklären. Weltweit zählt die IDA insgesamt 11.000 offizielle Vertreterinnen und Vertreter wie Samyukta Manikumar aus Kenia, die sich auf lokaler Ebene für die Ziele der Organisation einsetzen.

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