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Glossar - Was wir wirklich meinen

Beyond Science

Ein Begriff, mehrere Bedeutungen – das gibt’s auch in der Wissenschaft. Flavio Azevedo von der FORRT-Initiative will mit einem Glossar mehr Klarheit schaffen. Wir sprachen mit ihm über die Idee und warum diese in Zeiten von Open Science so wichtig ist.

Unter Ihrer Leitung hat die internationale FORRT-Gemeinschaft ein Glossar mit wissenschaftlichen Begriffen veröffentlicht, die oft falsch benutzt oder missverstanden werden. Wie kam es dazu?
Flavio Azevedo:
Im Rahmen der „Open Science“ werden neue Erkenntnisse offen zugänglich, transparent und reproduzierbar gemacht, um die disziplinübergreifende Kooperation zu fördern. Dabei können Fachterminologien in einem Forschungsgebiet eine andere Bedeutung haben als in einem anderen. Begriffe, die eine historisch gewachsene Bedeutung haben, können somit in bestimmten Zusammenhängen etwas gänzlich anderes aussagen oder sich im Lauf der Zeit verändern. Mit dem Glossar möchten wir diese Unterschiede untersuchen, verstehen und nachvollziehbar machen.

Ob im wissenschaftlichen Alltag, in der Lehre oder in der breiten Öffentlichkeit: Zu welchen Problemen können unterschiedliche Interpretationen von Wörtern führen?

Open Science hat die Art und Weise, wie wir Forschungsprojekte und -prozesse mit anderen teilen, revolutioniert. Mit der Folge, dass Begriffe immer mehrdeutiger werden. Das erschwert das gegenseitige Verstehen – sowohl unter Forschenden unterschiedlicher Disziplinen, aber auch zwischen Experten und Laien. Mit dem FORRT-Glossar setzen wir genau hier an: Wir möchten solche Barrieren beseitigen und möglichst viele Menschen einbeziehen. Ich denke hier an junge Wissenschaftler, die am Anfang ihrer Karriere stehen, aber auch an Interessenvertreter aus der Industrie und Wissenschaftler aus benachteiligten Ländern.

Nennen Sie uns Beispiele für Begriffe mit unterschiedlicher Bedeutung.

Mit „Pre-Registration“ etwa bezeichnet man in den Sozialwissenschaften eine mit einem Zeitstempel versehene und nicht editierbare Version eines Forschungsprotokolls. Im Gesundheitswesen steht dieser Ausdruck hingegen für die Voranmeldung für einen Kurs, der Studierende für einen schnellen Einstieg in einen medizinischen Beruf qualifiziert. Ein anderes Beispiel: In den Wirtschaftswissenschaften bezieht sich „Creative Destruction“ auf den Prozess des kontinuierlichen Umbaus einer Wirtschaft durch den Ersatz von alten Technologien, Branchen und Unternehmen durch neue. In der psychologischen Forschung taucht der Begriff im Zusammenhang mit der Reproduzierbarkeit von Studien auf. Werden die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe durch eine andere nicht nur bestätigt, sondern durch weitere Erkenntnisse angereichert, spricht man von „Creative Destruction“. Das sind nur zwei Beispiele von Hunderten.

Sie haben bisher mehr als 250 der häufigsten wissenschaftlichen Begriffe und Abkürzungen gesammelt und eingeordnet. Wie sind Sie und Ihr Team dabei vorgegangen?
Zunächst erstellten wir eine Liste von Begriffen mit einer knappen und präzisen Definition, verwandten Fachbegriffen und sämtlichen alternativen Definitionen. Dieses erste Glossar entstand übrigens mithilfe einer Schwarmintelligenz: Beteiligt waren mehr als 100 Forschende unterschiedlicher Karrierestufen aus verschiedenen Disziplinen, etwa der Psychologie, den Wirtschafts- und Neurowissenschaften und auch aus der Linguistik. In einem zweiten Schritt luden wir weitere Wissenschaftler über die sozialen Medien und Organisationen wie „ReproducibiliTea“ dazu ein, an dem Projekt teilzunehmen. Wir schlugen neue Fachbegriffe vor, zu welchen die Beteiligten Haupt- und Alternativdefinitionen vorschlagen sollten. Auch sollten sie die bis dato überprüften und überarbeiteten Definitionen sowie ihre Alternativen abermals untersuchen.

Wie schafft man es, sich angesichts so vieler Mitwirkender auf Definitionen zu einigen?
Wir betrachten Definitionen dann als publikationsreif, wenn sie von einer ausreichenden Anzahl von Beteiligten (in der Regel fünf oder mehr) überprüft wurden und ein Konsens erzielt werden konnte. Unser gemeinsamer Fokus ist dabei immer, das Anliegen von Open Scholarship zu berücksichtigen – also das Ziel zu verfolgen, wissenschaftliche Arbeit und Wissen offen zugänglich zu machen, Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion und vieles mehr zu ermöglichen. Mit Erfolg: Unser Glossar wird von vielen Open-Science-Interessenvertretern sowie von der Öffentlichkeit genutzt und ist Inspiration für viele weitere Glossar-Initiativen. Dabei ist unsere Arbeit natürlich offen und frei für jeden verfügbar.

Sie rufen alle Interessierten zur Mitarbeit auf. Wie kann man mitmachen?

Wir sind tatsächlich noch lange nicht fertig! Jeder ist eingeladen, das Glossar zu verbessern und auszubauen. Auch sind wir dabei, die Begriffe und ihre Definitionen in verschiedene Sprachen zu übersetzen, um sie zugänglicher zu machen. So haben wir auf unserer Seite vier „Live“-Arbeitsdokumente eröffnet, an denen gemeinschaftlich gearbeitet werden kann. Interessierte können auch unserem FORRT’s Slack Channel beitreten (siehe „Get involved“ oben auf unserer Website). Wir freuen uns über rege Teilnahme!
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