text.skipToContent text.skipToNavigation
Es konnten keine Ergebnisse gefunden werden.
Such-Empfehlungen

Expedition in den Mikrokosmos

Beyond Science

Martin Oeggerli setzt mikroskopisch kleine Lebewesen und Objekte mit viel Liebe zum Detail in Szene. Der prämierte Wissenschaftsfotograf schafft mit seinen Kunstwerken Aufmerksamkeit – und Wissen.

Wenn Martin Oeggerli durch sein Mi­kroskop schaut, begibt er sich auf eine Reise in eine andere Welt. Tausendfach vergrößert entdeckt er groteske Monster, Urwälder und fremde Planeten. Seine surreal anmutenden Fotos taugen als Vorlage für einen Science-Fiction-Roman, dabei sind sie nicht nur real, sondern oft auch erstaunlich alltäglich. Der Urwald stellt sich als Querschnitt des Blattes einer Feuerkartoffel heraus, die Planeten als Pollen, die Monster entpuppen sich als Milben. Als Wissenschaftsfotograf hat es sich Oeggerli zur Aufgabe gemacht, den Mikrokosmos – also die Welt der Kleinlebewesen – sichtbar zu machen und ästhetisch darzustellen.
Dabei ist der 49-Jährige, der in der Nähe von Basel lebt, von Haus aus Wissenschaftler. Der Molekularbiologe hat sieben Jahre in der Krebsforschung an der Universität Basel gearbeitet. Bis sein Vater ihm eine Kamera schenkte. „Damit hatte ich im Rahmen meiner Arbeit schon nach wenigen Wochen Tausende Bilder geschossen“, berichtet Oeggerli. Doch die wissenschaftliche Betrachtung sei immer weiter in den Hintergrund gerückt. „Heute bin ich zu 100 Prozent Künstler.“

Rastern statt fotografieren

Der Schweizer, der von forschenden Kollegen die Präparate für seine Shootings erhält, hantiert längst nicht mehr mit handelsüblichen Digitalkameras. Vielmehr nutzt er Rasterelektronenmikroskope, deren Elektronenstrahlen die Oberfläche des Bildausschnittes scannen und aus den Informationen ein höchst detailreiches dreidimensionales Bild erstellen. Doch das Verfahren hat auch einen Nachteil gegenüber der Fotografie: Es offenbart keine Farben. Das bedeutet für den Künstler viel Handarbeit am Computer in seinem Studio: „Für die Colorierung brauche ich schon mal bis zu 100 Stunden pro Bild – da komme ich im Jahr auf maximal 20 vollendete Werke“, schätzt Oeggerli.
Zuerst wird das Motiv freigestellt. Pixel für Pixel, Ebene für Ebene weist der Fotograf dann den Motiven in Photoshop Farben zu, damit die unterschiedlichen Details durch eine kontrastreiche Farbgebung möglichst gut sichtbar werden. „Wir Menschen haben gelernt, das, was wir sehen, anhand von Farben zu unterscheiden, zu kategorisieren und zu bewerten. Das spiegelt sich auch in meiner Arbeit wider.“ Dabei seien die Farben nicht immer originalgetreu, sondern Teil der künstlerischen Freiheit, erklärt er: „So erwecke ich die Motive zum Leben und mache sichtbar, was sonst unsichtbar bliebe.“
Oeggerlis Aufnahmen sind regelmäßig in renommierten Zeitschriften wie „National Geographic“ zu sehen und begeistern Laien genauso wie Wissenschaftler. Das schafft Aufmerksamkeit: Jüngst wurde Martin Oeggerli mit einem der weltweit bedeutendsten Preise der Wissenschaftsfotografie ausgezeichnet: dem Lennart Nilsson Award. „Es ist eine Ehre und eine Bestätigung für mich und die Bilder, die ich gemacht habe“, sagt er freudig, aber bescheiden. Der Preis schaffe Interesse und kläre auf über eine Welt, die selbst in der Wissenschaft noch kaum bekannt und auch nicht bei allen beliebt sei.
Preisgekrönte Milben
Milben beispielsweise gehören zu den artenreichsten Lebewesen. Es gibt sie auf allen Kontinenten, unter Wasser und, etwa die Haarbalgmilbe, auch auf uns Menschen. Dank Oeggerli schaffen sie es nun bis in die Kunstgalerien. Auf den kolorierten Aufnahmen glänzen die winzigen Spinnentiere mit ihrer Vielgestaltigkeit, ihren raffinierten körper­lichen Eigenschaften und einem bisweilen sogar recht liebenswerten Aussehen: „Wir wissen noch sehr wenig über diese Spezies. Die meisten davon sind für uns Menschen absolut harmlos“, erzählt Oeggerli. „Am ehesten bleiben uns jene in Erinnerung, die uns beißen, unsere Pflanzen befallen oder sich an unserem Essen bedienen.“ Es sei eben schwer, Dinge zu verstehen, die man nicht sehen oder anfassen könne.
Oeggerli will Bewusstsein schaffen und Sympathie wecken. Das sah auch die Jury des Lennart Nilsson Awards in ihrer Begründung so: „Die atemberaubenden Bilder helfen uns, die Feinheiten des Designs der Natur zu verstehen und die Biologie für jedermann zugänglich zu machen.“
Mehr Information:

Verwandte Dokumente