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Wunderwerk Pilz

Beyond Science

Sie können giftig sein oder köstlich. Nur ein winziger Teil von ihnen ist überirdisch zu sehen. Viel größer ist ihr weitläufiges Wurzelgeflecht, das den Boden durchdringt. Pilze enthalten heilsame Substanzen und sind Grundlage vieler nachhaltiger Technologien.

Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere. Sie bilden vielmehr ein eigenes Reich. Sie benötigen kein Sonnenlicht, stattdessen durchwuchern sie den Boden, Holz und anderes Material auf der Suche nach Nährstoffen von lebenden und toten Organismen.
Rund 120.000 Pilzarten sind derzeit wissenschaftlich erfasst. Ein Großteil ist aber noch unbekannt. Forschende gehen gar von bis zu fünf Milliarden Arten aus. Einige verblüffen mit Superlativen: So ist ein Hallimasch im Malheur National Forest in Oregon das größte Lebewesen der Welt. Das Netzwerk dieses Pilzes erstreckt sich über eine Fläche von rund neun Quadratkilometern – das entspricht fast 1.200 Fußballfeldern. Biologen schätzen, dass der Riesenpilz bis zu 8.500 Jahre alt und 400.000 Kilogramm schwer ist. Der größte oberirdisch sichtbare Fruchtkörper eines Pilzes wurde vor zwölf Jahren in China gefunden. Der Feuerschwamm war fast elf Meter lang und wog über 400 Kilogramm.
Pilze sind hervorragend vernetzt. In einem Hektar Waldboden befinden sich bis zu sechs Tonnen Pilzfäden, die es zusammen auf eine unglaubliche Länge von mehr als 100 Milliarden Kilometern bringen können. Zum Vergleich: Der Mond kreist in einer Entfernung von nur gut 380.000 Kilometern um die Erde. Ein einziger Baum kann mit bis zu 100 Pilzarten vergesellschaftet sein. Ihre Fähigkeit, Abfallstoffe umzuwandeln, macht die Recycling-Spezialisten nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Wirtschaft interessant. Manche Experten sehen in ihnen ein großes Potenzial für nachhaltige Innovationen. Vier der vielen nützlichen Eigenschaften stellen wir hier vor:

Geheimnisvolle Mykorrhiza

Was wir von Pilzen wahrnehmen, sind meist nur deren Fruchtkörper an der Oberfläche. Der eigentliche Pilz, das Myzel, ist ein weitverzweigtes Geflecht aus wurzelähnlichen Fäden im Boden. Dieses geht häufig eine Symbiose mit Bäumen und anderen Pflanzen ein. Diese sogenannte Mykorrhiza verbessert die Versorgung der Pflanzen mit Wasser und Mineralstoffen. Besonders Phosphor macht das Pilzgeflecht für Pflanzen leichter verfügbar. Als Gegenleistung erhalten die Pilze zuckerhaltige Assimilate, die bei der Photosynthese entstehen. Über die Mykorrhiza können auch Informationen, etwa über den Wasser- und Nährstoffbedarf, ausgetauscht werden. Wie dieses „Wood Wide Web“ funktioniert, wurde bisher nur annähernd erforscht.

Häuser aus Abfällen

Besonders interessant sind Pilze für die Baustoffindustrie. Denn sie haben die Fähigkeit, mit ihren Fäden Pflanzenabfälle zu durchwachsen und mit ihrem Geflecht zu einer festen Struktur zu verbinden. Fraunhofer-Forschende entwickelten aus Reststoffen wie Sägemehl, Stroh und Biertreber eine Paste, die sich in 3-D-Druckern verarbeiten lässt. Und so funktioniert es: Nach dem Zusatz von Pilzen verfestigen diese das Material. Anschließend werden sie durch Erhitzen abgetötet und fertig ist ein stabiles und nachhaltiges Bauteil. Forschende aus Karlsruhe stellten aus Holzabfällen und Pilzmyzelien Ziegelsteine her, die nicht nur deutlich leichter als herkömmliche Materialien sind, sondern auch bruchfester und haltbarer. Bei der Herstellung wird zudem noch Kohlendioxid gebunden. Das US-amerikanische Start-up Ecova­tive hat bereits ein komplettes Häuschen errichtet, das weitgehend aus Pilzfäden und Abfällen besteht. Das Mushroom Tiny House ist wasserdicht, brandsicher, frei von giftigen Chemikalien und biologisch abbaubar.

Effektive Schadstofffresser

Kein Organismus zersetzt Holz und totes Pflanzenmaterial gründlicher und rascher als Pilze. Denn mit speziellen Enzymen sind sie in der Lage, Lignozellulose abzubauen – den Stoff, der verholzten Pflanzen ihre Festigkeit verleiht und für Mikroorganismen nur schwer zu knacken ist. Die Pilzenzyme sind hocheffizient und zerlegen auch andere schwer abbaubare Substanzen. Unter anderem sind sie in der Lage, Schadstoffe wie Dioxin, Öle und Fette, manche Pestizide, den Sprengstoff TNT sowie Medikamenten- und Plastikrückstände zu verstoffwechseln. Und zwar so, dass entweder nur noch Kohlendioxid und Wasser übrig bleiben oder zumindest weit weniger giftige Stoffe. So können Pilze bei der Sanierung belasteter Böden und Gewässer eine wichtige Rolle spielen. Pilze werden schon heute in einigen Kläranlagen und auf verunreinigten Industriebrachen als effektive Schadstofffresser eingesetzt.

Heilbringende Substanz

Das 1928 von dem britischen Forscher Alexander Fleming entdeckte Antibiotikum Penicillin ist das bekannteste aus Pilzen stammende Medikament. Seither fanden Antibiotikaforschende noch eine Reihe anderer antibiotisch wirksamer Stoffe in Pilzen. Allein die aus den beiden Schimmelpilzarten Penicillium chrysogenum und Acremonium chrysogenum weltweit produzierten Antibiotika haben einen Wert von rund 20 Milliarden Euro. Neuere Untersuchungen zeigen, dass einige Arten auch antivirale Inhaltsstoffe besitzen. Der Wirkstoff Cordycepin aus dem chinesischen Raupenpilz mit dem Artnamen Cordyceps sinensis könnte sogar Anwendung in der Krebstherapie finden. In Laborversuchen zeigte sich, dass Cordycepin Leukämie-, Brustkrebs- und Prostatakrebszellen effektiv zerstören kann. Als Medikament ist der Stoff allerdings noch nicht zugelassen.

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