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Gänsehaut im Gehirn
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Knisterndes Lagerfeuer, raschelnde Blätter oder eine Bürste, die durchs Haar streicht: Geräusche dieser Art wirken entspannend und werden unter dem Kürzel ASMR zusammengefasst. Was es mit dem Entspannungshype der Gegenwart auf sich hat.
Wenn sich Craig Richard nach einem anstrengenden Tag erholen möchte, sieht er sich manchmal einen der Malkurse des inzwischen verstorbenen Moderators und Landschaftsmalers Bob Ross an. Dann hört er ihm dabei zu, wie er mit dem Pinsel über die Leinwand streicht. Genauso liebt der Professor für biopharmazeutische Wissenschaften von der Shenandoah University in Virginia das Geräusch einer Schere, die Haare schneidet, obwohl er selbst Glatze trägt. „Lange Zeit hatte ich keine Ahnung, warum mich diese Dinge entspannen, und ich wusste auch nicht, dass sie miteinander in Verbindung stehen“, erinnert er sich. „Ich schätze, ich dachte einfach, ich sei ein wenig seltsam.“
Sanfte Welle der Entspannung
Doch mit seiner Vorliebe für entspannende Geräusche ist Craig Richard nicht allein. Unzählige Menschen auf der ganzen Welt lieben Hörempfindungen, die ein angenehmes Kribbeln am Kopf auslösen. Es breitet sich bei manchen wie eine Welle der Entspannung über den Nacken aus und fließt die Wirbelsäule hinunter. Ein wohliger Schauer, einer sanften elektrostatischen Entladung vergleichbar. Dieses Phänomen ist unter der Abkürzung ASMR bekannt, sie steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“. Autonom, weil der Effekt ohne Zutun des Hörenden einsetzt, und sensorisch, weil das Phänomen mitunter alle Sinne anspricht. Meridiane sind in der Vorstellung der traditionellen chinesischen Medizin Körperbahnen, durch die die Lebensenergie des Körpers oder eben der wohlige ASMR-Schauer fließt. Response kennzeichnet die Antwort des Körpers auf Sinneseindrücke.
Craig Richard stieß 2013 zufällig auf ASMR: beim Hören eines Podcasts in seiner Küche. „Damals gab es nur wenige Informationen über das Phänomen, aber ich war sofort fasziniert“, erzählt er. „Schließlich hatte ich es die ganze Zeit als entspannend erlebt.“ Also nahm er Kontakt zu der Informatikerin Jennifer Allen auf, der Frau, die den Begriff ASMR geprägt hat. Noch im selben Jahr starteten sie gemeinsam ein Forschungsprojekt.
Wohliges Kribbeln erreicht Millionenpublikum
Allen hatte das angenehme Kribbeln der Kopfhaut ebenfalls beim Hören bestimmter Dinge empfunden. Sie gründete eine Facebook-Gruppe, in der sich im Laufe der Zeit viele Fans einfanden, denen es ähnlich ging. Inzwischen gibt es kaum einen größeren Entspannungshype als die geflüsterten, geraschelten oder sogar beim Kauen erzeugten Geräusche. 2021 war ASMR der dritte meistgesuchte Begriff auf der Videoplattform YouTube. Das dort bislang beliebteste ASMR-Video wurde 33 Millionen Mal aufgerufen. Prominente wie Paris Hilton oder die US-Rapperin Cardi B erproben sich im freundlichen Flüstern vor dem Mikrofon, während unbekannte ASMR-Künstler mit ihren Clips viral gehen. Etwa Jane aus Südkorea, deren Kanal mehr als 17 Millionen Menschen folgen.Aber wie kommt es zu diesen ASMR-assoziierten Empfindungen? Das wollen Craig Richard und Jennifer Allen herausfinden. Ein Ergebnis: „Unsere Gehirnscans zeigen, dass bestimmte Bereiche des Gehirns aktiv sind, wenn jemand ASMR und das Kribbeln erlebt“, erklärt Richard, „vor allem der mediale präfrontale und der insuläre Kortex, außerdem der zum Belohnungssystem gehörende Nucleus accumbens.“ Dass ASMR diese Hirnregionen anspricht, lässt darauf schließen, dass Botenstoffe wie die Endorphine Serotonin, GABA und Oxytocin beteiligt sind. Am wichtigsten scheint Oxytocin zu sein, das beim Kuscheln freigesetzt wird und von hoher luststeigernder Wirkung ist. „Insbesondere Atem- und Flüstergeräusche machen auch virtuell die Anwesenheit eines anderen Menschen spürbar“, führt Craig Richard aus. „Dadurch vermögen die ASMR-Sounds das Bedürfnis nach Nähe zu stillen. Vermutlich ist das ein Grund, warum ASMR während der Pandemie so beliebt wurde.“Oxytocin kann auch der Grund sein, warum manche Menschen für die ASMR-Geräusche empfänglich sind, andere hingegen nicht – sich von Essgeräuschen sogar abgestoßen fühlen. „Denn wie viel Oxytocin ausgeschüttet wird, bestimmen die Gene, und hier kann die Ausprägung sehr unterschiedlich sein“, sagt Craig
Richard. Entsprechend gibt es bei der Vorliebe für ASMR vermutlich eine biologische Komponente. Genauso aber könnten, so Richard, eigene Lebenserfahrungen zu einer höheren Offenheit gegenüber den Geräuschen führen, ein individuelles Mindset oder auch kulturelle Prägungen.
Angenehm – und gesund
Wer es mag, den entspannt ASMR nachweislich. „Puls und Blutdruck sinken –
beides Voraussetzungen dafür, dass der Körper zur Ruhe kommt“, sagt Richard, der seine Erkenntnisse auf der Internetseite asmruniversity.com zusammenträgt. Und auch Menschen mit Ängsten und Depressionen sollten ruhig einmal ausprobieren, ob ein ASMR-Video oder -Podcast etwas für sie ist. Denn die sanften Sounds könnten Angstzustände lindern oder eine dunkle Stimmung aufhellen. Noch steckt die Forschung in den Kinderschuhen. Es gibt viele offene Fragen, die Craig Richard beantworten will: „Zum Beispiel möchte ich gerne erfahren, wie ASMR auf stressbedingte Hormone wie Cortisol oder Adrenalin wirkt.“
Sanfte Welle der Entspannung
Doch mit seiner Vorliebe für entspannende Geräusche ist Craig Richard nicht allein. Unzählige Menschen auf der ganzen Welt lieben Hörempfindungen, die ein angenehmes Kribbeln am Kopf auslösen. Es breitet sich bei manchen wie eine Welle der Entspannung über den Nacken aus und fließt die Wirbelsäule hinunter. Ein wohliger Schauer, einer sanften elektrostatischen Entladung vergleichbar. Dieses Phänomen ist unter der Abkürzung ASMR bekannt, sie steht für „Autonomous Sensory Meridian Response“. Autonom, weil der Effekt ohne Zutun des Hörenden einsetzt, und sensorisch, weil das Phänomen mitunter alle Sinne anspricht. Meridiane sind in der Vorstellung der traditionellen chinesischen Medizin Körperbahnen, durch die die Lebensenergie des Körpers oder eben der wohlige ASMR-Schauer fließt. Response kennzeichnet die Antwort des Körpers auf Sinneseindrücke.
Craig Richard stieß 2013 zufällig auf ASMR: beim Hören eines Podcasts in seiner Küche. „Damals gab es nur wenige Informationen über das Phänomen, aber ich war sofort fasziniert“, erzählt er. „Schließlich hatte ich es die ganze Zeit als entspannend erlebt.“ Also nahm er Kontakt zu der Informatikerin Jennifer Allen auf, der Frau, die den Begriff ASMR geprägt hat. Noch im selben Jahr starteten sie gemeinsam ein Forschungsprojekt.
Wohliges Kribbeln erreicht Millionenpublikum
Allen hatte das angenehme Kribbeln der Kopfhaut ebenfalls beim Hören bestimmter Dinge empfunden. Sie gründete eine Facebook-Gruppe, in der sich im Laufe der Zeit viele Fans einfanden, denen es ähnlich ging. Inzwischen gibt es kaum einen größeren Entspannungshype als die geflüsterten, geraschelten oder sogar beim Kauen erzeugten Geräusche. 2021 war ASMR der dritte meistgesuchte Begriff auf der Videoplattform YouTube. Das dort bislang beliebteste ASMR-Video wurde 33 Millionen Mal aufgerufen. Prominente wie Paris Hilton oder die US-Rapperin Cardi B erproben sich im freundlichen Flüstern vor dem Mikrofon, während unbekannte ASMR-Künstler mit ihren Clips viral gehen. Etwa Jane aus Südkorea, deren Kanal mehr als 17 Millionen Menschen folgen.Aber wie kommt es zu diesen ASMR-assoziierten Empfindungen? Das wollen Craig Richard und Jennifer Allen herausfinden. Ein Ergebnis: „Unsere Gehirnscans zeigen, dass bestimmte Bereiche des Gehirns aktiv sind, wenn jemand ASMR und das Kribbeln erlebt“, erklärt Richard, „vor allem der mediale präfrontale und der insuläre Kortex, außerdem der zum Belohnungssystem gehörende Nucleus accumbens.“ Dass ASMR diese Hirnregionen anspricht, lässt darauf schließen, dass Botenstoffe wie die Endorphine Serotonin, GABA und Oxytocin beteiligt sind. Am wichtigsten scheint Oxytocin zu sein, das beim Kuscheln freigesetzt wird und von hoher luststeigernder Wirkung ist. „Insbesondere Atem- und Flüstergeräusche machen auch virtuell die Anwesenheit eines anderen Menschen spürbar“, führt Craig Richard aus. „Dadurch vermögen die ASMR-Sounds das Bedürfnis nach Nähe zu stillen. Vermutlich ist das ein Grund, warum ASMR während der Pandemie so beliebt wurde.“Oxytocin kann auch der Grund sein, warum manche Menschen für die ASMR-Geräusche empfänglich sind, andere hingegen nicht – sich von Essgeräuschen sogar abgestoßen fühlen. „Denn wie viel Oxytocin ausgeschüttet wird, bestimmen die Gene, und hier kann die Ausprägung sehr unterschiedlich sein“, sagt Craig
Richard. Entsprechend gibt es bei der Vorliebe für ASMR vermutlich eine biologische Komponente. Genauso aber könnten, so Richard, eigene Lebenserfahrungen zu einer höheren Offenheit gegenüber den Geräuschen führen, ein individuelles Mindset oder auch kulturelle Prägungen.
Angenehm – und gesund
Wer es mag, den entspannt ASMR nachweislich. „Puls und Blutdruck sinken –
beides Voraussetzungen dafür, dass der Körper zur Ruhe kommt“, sagt Richard, der seine Erkenntnisse auf der Internetseite asmruniversity.com zusammenträgt. Und auch Menschen mit Ängsten und Depressionen sollten ruhig einmal ausprobieren, ob ein ASMR-Video oder -Podcast etwas für sie ist. Denn die sanften Sounds könnten Angstzustände lindern oder eine dunkle Stimmung aufhellen. Noch steckt die Forschung in den Kinderschuhen. Es gibt viele offene Fragen, die Craig Richard beantworten will: „Zum Beispiel möchte ich gerne erfahren, wie ASMR auf stressbedingte Hormone wie Cortisol oder Adrenalin wirkt.“
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